Welches ist die Kernbotschaft, die sich aus der Analyse von Fallstudien spontaner Regression ergibt ?
Die Heilungskraft des menschlichen Körpers bei Krebs wurde wahrscheinlich unterschätzt. Das hat Konsequenzen sowohl für die Therapie als auch für die Prophylaxe.
Wie häufig sind Spontanregressionen und -remissionen ?
Bis vor kurzem nahm man an, dass Spontanregressionen selten sind. Grobe Abschätzungen gingen von 1/10000 bis 1/1 Mio aller Krebserkrankungen aus. Bei einigen Krebsformen wie Melanom, Sarkom und Neuroblastom scheint es häufiger zu passieren. Allerdings muss man eine gewisse Dunkelziffer annehmen, da sich viele geheilte Patienten schlicht nicht wieder in der Klinik einfinden. Viele dieser Regressionen hatten nur aufschiebende, eine ganze Reihe aber auch heilende Wirkung. 2001 konnten wir zeigen, dass vielen, wenn nicht den meisten Spontanregressionen ein fiebriger Infekt vorausging. Die damalige Hypothese, es könnte sich um eine unspezifische Aktivierung des angeborenen Immunsystems handeln, die eine spezifische Immunreaktion befördert, hat sich inzwischen erhärtet.
Eine Studie zeigte, dass man die Spontanregressionsrate womöglich unterschätzt hat ?
In einer Studie von 2008 jedoch (Arch.Intern.Med 168,21; Nov.24 2008; www.archinternmed.com) wurde bei Brustkrebs für kleine Herde eine Spontanregressionsrate von etwa 20% gefunden. Wie vielen davon ein Infekt vorausging, wurde nicht untersucht. Wenn sich dieses Ergebnis erhärtet, hätte man die Selbsthilfekapazität des menschlichen Körpers weit unterschätzt. Das hätte Konsequenzen für die Therapie: die Lücke zwischen mangelnder und erfolgreicher Tumorabwehr wäre deutlich kleiner, demzufolge könnte es sein, dass der Aufwand, das Immunsystem erfolgreich zu unterstützen, möglicherweise kleiner ist als man annahm.
Warum wurde das Phänomen der Spontanregression bislang nicht eingehend untersucht ?
Beschreibungen von Spontanheilungen sind seit mindestens 200 Jahren in der medizinischen Literatur zu finden. Dennoch wurden diese Fälle in der Schulmedizin bislang nicht als lehrreich angesehen. Denn Spontanheilungen galten als selten; die näheren Umstände lassen sich im Nachhinein oft schlecht ergründen; Einzelfälle ohne naheliegende Erklärung lassen sich schlecht publizieren; es gibt eine gewisse Neigung der Kliniker, vor den Selbstheilungskräften des Körpers die Augen zu verschliessen. Noch im November 2005 heisst es im Deutschen Ärzteblatt”: “Beim heutigen Wissensstand gibt es keine Empfehlungen, wie eine Spontanremission zu fördern wäre.”
Gibt es nicht auch eine Reihe von Veröffentlichungen, die nahelegen, dass Infekte Krebs erzeugen oder fördern können ?
Das gilt sicher für einige chronische virale Infekte, z.B. mit Papillomavirus, und andere chronische Infekte. Für kurzzeitige, auskurierte und ausgeheilte Infekte zeigt die Literatur, dass diese Infekte das Krebsrisiko senken.
Wenn es tatsächlich einen positiven Einfluss von Fieber plus PAMP bei Krebs gibt, wie die Fallstudien zeigen, warum wurde er bislang nicht in der Krebstherapie genutzt ?
Die Literatur, die einen positiven Effekt fiebriger Infekte nahelegt, besteht aus hunderten von Publikationen. In der medizinischen Literatur der letzten 150 Jahre wurde immer wieder auf diesen Zusammenhang hingewiesen. Doch man hatte keine überzeugende Erklärung, und die einzelnen Publikationen gingen in der Flut der Krebsliteratur unter. Darüberhinaus glaubte man, mit Radiotherapie, Chemotherapie und jüngst Checkpoint-Inhibitoren den Krebs besiegt zu haben oder bald in den Griff zu bekommen. Bei jedem Infekt werden von den Keimen sogenannte PAMP-Substanzen abgegeben, die wir als ursächlich für die Antikrebswirkung ansehen.
Vor über 100 Jahren infizierten Busch, Coley und andere Krebspatienten absichtlich mit lebenden Bakterien und später mit Bakterienextrakten. Wie waren die Resultate ?
Coley und Zeitgenossen erzielten spektakuläre Heilungen in einigen Patienten und versagten bei anderen, indem sie Bakterienextrakte über mehrere Wochen und Monate injizierten (Strep.pyogenes und Serr.marcescens). Die Publikationen damals erreichten nicht heutige Standards an Genauigkeit, deshalb können die wichtigsten Parameter dieser Versuche im Nachhinein nur mühsam gefunden werden. Der Erfolg scheint abzuhängen von i) der besonderen Form des Krebses, ii) der Herstellung des Extraktes, iii) Dauer der Behandung, iv) Ort der Injektion, v) Höhe des erzielten Fiebers sowie möglicherweise vi) dem genetischen Hintergrund des Patienten. 2004 wurde ein Versuch veröffentlicht, 128 der Patienten von Coley mit 1675 Kontrollpatienten aus der SEER-Datenbank zu vergleichen, wobei auf gleiches Alter, Rasse, Krebsstadium und Vorbehandlung geachtet wurde (Richardson et al. (Alt.Ther.Health.Med .5 (1999) 42). Die mediane Überlebensrate war 8,9 Jahre für Coley's Patienten und 7,0 Jahre für die moderne Gruppe. Ralph Moss (pers.comm.) weist darauf hin, dass die Präparate bei Coley sehr variierten. Während die Präparate "Lister formula VIII and Sloan-Kettering formula XIV" unwirksam waren, war die 5-Jahre Überlebensrate für "Buxton formulas IV, V, VI" 58% und 67% mit dem Präparat "Tracy formulas X,XI". Tumornahe Injektionen scheinen besser gewirkt zu haben als systemische Injektionen (in die Blutbahn). Coley's Tochter Helen Coley-Nauts publizierte 1990 einen Übersichtsartikel (Adv.Exp.Med.biol 267, 483-500), demzufolge mit den besten Präparaten und einer Behandlungsdauer von mindestens 6 Monaten die 5-Jahres-Überlebensrate beim Weichgewebesarkom erstaunliche 80% erreichte - allesamt inoperable Fälle.
Welche Substanzen gehören zur Gruppe der PAMP-Moleküle ?
PAMP nennt sich eine heterogene Substanzklasse, zum Beispiel LPS (Lipopolysaccharid aus bakteriellen Zellwänden), Flagellin (ein Protein, das in bakteriellen Geisseln gefunden wird), dsRNA (doppelsträngige RNA aus Viren), CpG-DNA (DNA charakteristisch für Bakterien), Zymosan (eine Substanz aus pathogenen Pilzen) und viele andere mehr. Gemeinsam ist den PAMP, dass sie nicht von menschlichem Gewebe produziert werden und dass dendritische Immunzellen PAMP sehr schnell detektieren und Alarmsignale aussenden können.
Sind PAMP die Auslöser von Spontanheilungen ?
Das ist unsere Annahme, die wir Anfang 2008 begründet haben. Insofern wäre die Bezeichnung "Spontan"-heilung nicht ganz korrekt.
Es heisst immer, der Körper könne sich gegen Krebszellen nicht wehren.
Das mag so aussehen bei Millionen von Krebstoten jedes Jahr, aber Spontanheilungen nach Infekten beweisen das Gegenteil, ebenso wie die Coley-Experimente an hunderten Patienten und unsere eigenen Fallstudien.
Bei den meisten Krebspatienten kann man eine tumorspezifische Immunantwort nachweisen, zum Beispiel in Form von tumorspezifischen Antikörpern und CTL (zytotoxischen T-Zellen). Allerdings ist diese Immunreaktion praktisch immer zu schwach. Denn die Reaktion des adaptiven Immunsystems (CTL, Antikörper) muss durch PAMP (innates Immunsystem) korrekt angestossen werden. Infekte liefern PAMP, Krebszellen nicht. PAMP, insbesondere mehrere PAMP kombiniert wie bei unserer PAMP-Immuntherapie, können eine vorliegende Immunantwort gegen Krebszellen massiv verstärken.